Vor über hundert Jahren, am 1. April 1907, wurde die staatlich-städtische Handwerker- und Kunstgewerbeschule in Bielefeld eröffnet. 1913 errichtete die Stadt für sie ein unterhalb der Sparrenburg neues Gebäude (die heutige MuKu). Bis heute änderte der Fachbereich Gestaltung mehrfach seinen Namen: Staatlich-Städtische Handwerkerschule mit kunstgewerblichen Tagesklassen (1907), Handwerker- und Kunstgewerbeschule (1914), Handwerkerschule (1933), Meisterschule des Deutschen Handwerks (1938), Meisterschule für das gestaltende Handwerk (1943), Werkkunstschule (1956). Im Rahmen der Hochschulreform in Nordrhein-Westfalen wurde 1971 die Werkkunstschule aufgelöst – die Nachfolge trat der Fachbereich Design an.
Bielefeld als Kunststadt – hat es das je gegeben? Tatsächlich bildete sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine kleine, aber sehr aktive Künstlerszene in der Stadt, die vor allem aus Sachsen und Schwaben, nach dem Zweiten Weltkrieg auch durch Vertriebene Zuzug und neue Anregungen erhielt. Die Bielefelder Künstlerschaft stand sicher nicht an der Spitze der Avantgarde, hielt aber durchaus Fühlung mit ihr. Der Jugendstil mit den Werken von Gertrud Kleinhempel, der Expressionismus mit Peter August Böckstiegel und den Malern der “Roten Erde”, die Bauhausarchitektur mit Beispielen von Richard Woernle und Paul Griesser bis hin zum “Neuen Sehen” in der Fotografie bei Georg Trump und Otto Kraft haben in Bielefeld beachtliche Werke hervorgebracht. Nach der NS-Kulturbarbarei und dem Krieg erreichte die Bielefelder Kunst mit Namen wie Willi Heiner, Herbert Volwahsen und Thyra Hamann-Hartmann bald wieder überregionalen Rang.
Im Jahre 2007 ergibt sich ein hervorragender Anlass, in umfassender Weise an die Bedeutung der Kunst in und für Bielefeld zu erinnern. Hundert Jahre zuvor, am 1. April 1907, war die staatlich-städtische Handwerker- und Kunstgewerbeschule eröffnet worden. Sie entwickelte sich zum Kristallisationspunkt des künstlerischen Lebens in der Stadt und zu einer der profiliertesten Schulen für Gestaltung im nordwestdeutschen Raum.
Es gab kaum einen namhaften Künstler in Bielefeld, der nicht in Verbindung mit der Schule stand, sei es als Lehrkraft, oft im Nebenamt, als ehemaliger Absolvent oder zumindest im anregenden Austausch mit den Ausstellungen, Vorträgen und Künstlerfesten, die dort stattfanden. Das imposante Schulgebäude am Fuß der Sparrenburg, heute von der städtischen Musik- und Kunstschule genutzt, war, wenn das Kunsthaus der “Kunsttempel” von Bielefeld war, das “Künstleratelier” der Stadt.
Ihre Ausbildung an der Bielefelder Kunstgewerbeschule erhielten z. B. der expressionistische Maler Peter August Böckstiegel, der Bildhauer Berthold Müller-Oerlinghausen, die Bildhauerin und Barlach-Gefährtin Marga Böhmer, der Grafik-Designer, Hochschullehrer und Documenta-Koordinator Jupp Ernst und die beiden Bauhaus-Künstler Wolfgang Tümpel und Kurt Kranz.
Im Laufe ihres Bestehens änderte die Schule mehrfach ihren Namen:
• Staatlich-Städtische Handwerkerschule mit kunstgewerblichen Tagesklassen (1907)
• Handwerker- und Kunstgewerbeschule (1914)
• Handwerkerschule (1933)
• Meisterschule des Deutschen Handwerks (1938)
• Meisterschule für das gestaltende Handwerk (1943)
• Werkkunstschule (1956)
Im Jahre 1971 wurden im Rahmen der Hochschulreform in NRW die Werkkunstschulen aufgelöst. Die Fachhochschule Bielefeld, Fachbereich Design, trat die Nachfolge an.
Das Wissen über die Geschichte und Leistung der Schule ist in Bielefeld gering, die meisten dort wirkenden Lehrkräfte haben seit vielen Jahren keine angemessene Würdigung durch Ausstellungen und Publikationen erfahren. Eine Ausstellung im Historischen Museum mit Begleitbuch soll zum 100. Geburtstag der Schule 2007 das bisher Versäumte nachholen.